Die Hornlosen haben das Sagen

Selten geht es bei Volksabstimmungen um Themen, die Hirten und Sennerinnen als Berufsgruppe betreffen. Auch bei der anstehenden Hornkuh-Initiative ist dies nur am Rande so.

Selten geht es bei Volksabstimmungen um Themen, die Hirten und Sennerinnen als Berufsgruppe betreffen. Auch bei der anstehenden Hornkuh-Initiative ist dies nur am Rande so. Gründe am 25. November ein «Ja» in die Urne zu legen gibt es trotzdem.

 

Pro und Contras

Bei den Diskussionen über die Hornkuh-Initiative wird immer wieder vergessen, dass es im abzustimmenden Gesetzestext weder um ein Verbot fürs Enthornen noch um gesetzliche Massnahmen fürs Erhalten von Kuh- und Ziegenhörner geht. Bei einer Annahme der Initiative erhalten Bauern von Horntieren, die beim RAUS-Programm mitmachen, ein paar Franken Direktzahlungen – das ist alles (siehe ganz unten «Initiativtext und Umsetzung»).

Pro und Contras in den Medien beziehen sich denn auch nicht wirklich auf den Initiativtext, sondern formieren sich vielmehr um die eigene Ideologie. Man ist fürs das Horn oder gegen das Horn und kramt dann seine Argumente zusammen. Schön zeigt dies der Beitrag in der Republik: «Das Leiden der Kälber», unschön die Arena des Schweizer Fernsehens: Arena zur Hornkuh-Initiative.

Kein Aufhalten der Hornlosen

Dass ÄlplerInnen bei Annahme der Initiative mit mehr behörnten Tieren zu rechnen haben – davon ist kaum auszugehen, denn Kern der Schweizer Landwirtschaftspolitik ist nicht eine sinnvolle Landwirtschaft oder gar das Tierwohl. Ziel ist der Freihandel, was meistens bedeutet: Die Schweiz kann Know-How und Maschinen in Länder verkaufen, die im Gegenzug günstig produzierte Lebensmittel liefern. Damit Schweizer Bauernbetriebe trotzdem überleben, sollen sie laut Bundesamt für Landwirtschaft grösser, effizienter werden und billiger produzieren. In einer industriell produzierenden Landwirtschaft haben Kuhhörner aber keinen Platz. Das Enthornen oder Züchten von genetisch hornlosen Tieren ist Ausdruck einer optimierten, effizienten Landwirtschaft – davon werden weder Bund noch Bauern abrücken. Auch ein Hornbatzen wird die Hornlosen nicht aufhalten können.

Trotzdem die Realität zu 80 Prozent hornlos sein wird, abstimmen sollten wir ÄlplerInnen dennoch. Erstens ist direkte Demokratie nicht selbstverständlich und macht nur Sinn, wenn man mitmacht. Zweitens sollte man dem Recht, Nutztiere mit Brennkolben und Bandsäge zu verstümmeln, mit einem Nein an der Urne nicht zusätzlich Auftrieb verleihen. Drittens macht eine Kuh mit Hörner einfach Freude.

Argumente

Wie eingangs erwähnt: Ideologien sind härter als Nusschalen und mit Argumenten kaum zu knacken. Daher listen wir hier keine Argumente auf, sondern verweisen aufs Netz:
Die Internetseite der IG Hornkuh

Mit der Initiative und wohin einem die Diskussion rund ums Kuhhorn führen kann, beschäftigt sich David Hunziker in seinem soeben erschienen Buch «Kuh-Horn». In Gesprächen mit Initiativvater Armin Capaul und weiteren Hornfürsprecher aus Wissenschaft und Bauernschaft, versucht er zu ergründen, was das Wort «Würde der Kuh» überhaupt bedeutet – für das Tier und für uns. Lesenswert.
David Hunziker: «Kuhhorn», AT-Verlag 2018

Wem jetzt alles klar ist, wer alles weiss oder sogar besser weiss, kann sich in letzter Minute für die Initative engagieren und einen Leserbrief schreiben. Eine Anleitung findet sich hier: Anleitung_Leserbrief

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Initiativtext und Umsetzung

Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: (kursiv)
Art.104 Abs. 3 Bst. b
b. Er [der Bund] fördert mit wirtschaftlich lohnenden Anreizen Produktionsformen, die besonders naturnah, umwelt- und tierfreundlich sind; dabei sorgt er insbesondere dafür, dass Halterinnen und Halter von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken finanziell unterstützt werden, solange die ausgewachsenen Tiere Hörner tragen.

Wie hoch diese finanzielle Unterstützung ausfallen wird und woher dieses Geld genommen wird, entscheidet nach einer Annahme der Initiative das Parlament. Die Initianten schlagen vor: 190 Franken pro Jahr und Kuh, 38 Franken pro Ziege, sofern die Tiere gemäss RAUS-Programm gehalten werden (RAUS = die Tiere weiden im Sommer an mindestens 26 Tagen pro Monat, im Winter haben sie an mindestens 13 Tagen pro Monat Auslauf im Freien). Die geschätzten 15 Millionen Hornfranken könnten von den Landschaftsqualitätszahlungen abgezweigt werden, damit das Agrarbudget sich nicht vergrössert. Aber eben: Das Parlament hat hier das Wort.