Und wer schützt die Hirten?

Zur Thematik «Tierwohl auf der Alp – Verantwortlichkeiten und Grenzen» organisierte die IG-Alp am ÄlplerInnentreffen GR eine Podiumsdiskussion.

Zur Thematik «Tierwohl auf der Alp – Verantwortlichkeiten und Grenzen» organisierte die IG-Alp letzten Samstag zum ÄlplerInnentreffen am Plantahof eine Podiumsdiskussion.

Text und Bilder von Reiner Schilling

Mit ein Grund, diese Diskussion zu lancieren, war ein Ereignis auf der Nachbaralp von Hirtin und Moderatorin Falvia Brüesch. Weil ihm mehrere Ochsen während eines Weidewechsels abgestürzt sind, wurde der Hirt vom betroffenen Tierhalter angezeigt. Weitere Rechtsfälle in den Kantonen Graubünden und Wallis verdeutlichen den Klärungsbedarf zur Verantwortlichkeit auf der Alp. Auf dem Podium sassen Thomas Roffler, Präsident Bündner Bauernverband, Landwirt und Alpmeister; Gian Peter Niggli, Landwirt und Alpmeister; Erwin Vincenz, Tierarzt und Tierhomöopath sowie Vanessa Gerritsen, Juristin «Tier im Recht». Die Hirtschaft wurde durch die beiden Moderatoren und langjährigen Älpler Flavia Brüesch und Giorgio Hösli vertreten.

Rechtsschutz für Hirten

«Brauchen Älpler eine Rechtsschutzversicherung?» fragte Brüesch. Für Niggli sind diese Mitarbeiter und der Alpmeister der Chef, vergleichbar mit dem Talbetrieb. Nach Roffler ist dies eine Frage der Verantwortung beider Parteien, gerade in schwierigen Situationen. Gerritsen verdeutlicht, dass die Verantwortlichkeit des Hirten rechtlich gilt, und nicht ausschliessbar ist. Man könne sich selbst über Beweise wie Fotos, Filme oder Kommunikation der Sorgfaltspflicht absichern und «je schneller man dies macht, desto sicherer ist es.» Eine bereits ausgefüllte BUL-Checkliste «Rindvieh und Wanderwege» kann im Streitfall als Entlastungsbeweis dienen.

Handeln oder Behandeln?

Was sind tiergerechte Behandlungsmethoden fragte Brüesch den Tierarzt Vincenz. «Es braucht eine Diagnose, die richtige Arznei und Erfolg», betonte er. Seiner Erfahrung nach wird zu schnell behandelt, was wiederum zu einem hohen Medikamenteneinsatz führt. «Es ist immer die Kommunikation aller Beteiligten notwendig», lautet sein Lösungsansatz. Und für Roffler ist es das Argument, die möglichen Situationen und Massnahmen vor der Alpzeit zu besprechen, da die gängigen Krankheiten bekannt sind. Für Niggli gilt eine «Nulltoleranz», wenn es um Tiergesundheit, sprich sofort handeln auch wenn Mehrkosten entstehen. Weiter vergleicht er die Fernapplikation von Medikamenten mit dem Fixieren des Tieres. Der Weg zum Stall sowie das Ausscheiden aus der Mutterkuhherde sei aufwändig. Auch Vincenz hat gute Erfahrungen mit dem Blasrohr gemacht. Laut den Bündner Weisungen für die Sömmerung (4.3) ist «die Fernapplikation von Tierarzneimitteln mittels Blasrohr oder anderen Narkosewaffen verboten.» Den Grund sieht Gerritsen darin, dass nach dem Gesetzgeber Tiere nicht verwildern sollen.

Anhand Skizzen wurden am Podium verschiedene konkrete Fälle besprochen.

Für einen ehemaligen Landwirt «beginnt die Verwilderung bereits im Mutterkuhstall.» Der jetzige Älpler fordert ein Abkalbeverbot auf den Alpen, um Unfällen und Imageschäden vorzubeugen. Nach Roffler ist sich man sich dieser Verantwortung bewusst, denn Gemeinden, Alpgenossenschaften und Personal sind aktiv geworden. Und es gibt Alpen, die mit Abkalbungen funktionieren. Mutterkuhhalter Niggli lässt während des Sommers nicht abkalben, mit der Begründung: «Das Berggebiet ist nicht gezwungen durchgehend Natura Beef zu liefern.»

Mit einem Fuss im …

Wer ist rechtlich gesehen Tierhalter, wer ist Betreuer? Im kantonalen Merkblatt über die «Verantwortung des Alppersonals im Umgang mit Tieren» ist der Tierhalter «derjenige, der die Obhut, … also eine längere Verfügungsgewalt über das Tier hat.» «Betreuer ist die Person, welche für ein Tier (auch kurzfristitg) sorgt.» Also stehen letztendlich Alpmeister und Alppersonal in der Verantwortung, selbst der Eigentümer des Tieres. Die Pflicht gegenüber dem Tierwohl wird höher gewichtet, so dass im Zweifelsfall, wenn keiner den Tierarzt zahlen möchte, die Behandlung des Tieres erfolgen muss.

Merkblätter und Hilfen:

Merkblatt «Verantwortung des Alppersonals im Umgang mit Tieren
BUL-Checkliste «Rindvieh und Wanderwege»
«Weisungen für die Sömmerung 2017» für die Kantone Glarus und Graubünden