Die Alpen im Netzt: alporama.ch

Die Kantonsbücher des Schweizerischen Alpkatasters sind zu Handbücher für Nostalgiker geworden. Damit die neue Erhebung der Alpbetriebe nicht mehr verstauben kann, landen die Daten in einer flexiblen Datenbankstruktur, die im Internet abrufbar ist.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Die Kantonsbücher des Schweizerischen Alpkatasters sind zu Handbücher für Nostalgiker geworden. Seit 1982 eine Zusammenfassung der Katastererhebungen veröffentlicht wurde, ist manche Milchkuh zur Mutterkuh mutiert, haben bei den Alpbetrieben Fusionen stattgefunden, sind Alphütten ans Strassennetz angeschlossen und mancher Steuerfranken für Einbauküchen, Rohrmelkanlage und Chromstahltüren verbaut worden. Damit die neue Erhebung der Alpbetriebe nicht mehr verstauben kann, landen die Daten in einer flexiblen Datenbankstruktur, die im Internet abrufbar ist.

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) erarbeitet zusammen mit dem Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verein (SAV) ein Gesamtprojekt, das für jeden Kanton in Teilprojekten ein neu gestaltetes, illustriertes, aktualisiertes und publikumswirksames Alpverzeichnis herausgeben soll. Grundsätzlich soll über jede Alp ein umfassendes Dossier erstellt werden. Das Datenmaterial basiert auf dem zwischen 1960 und 1980 erstellten Alpkataster, der neu nachgeführt wird und durch zusätzliche Erhebungen ergänzt.

Diese Alpbetriebe-Portraits werden in einer zentralen EDV-Datenbank gespeichert, können dadurch ständig aktualisiert und für diverse Veröffentlichungen eingesetzt werden (Internet, Wanderbücher, Marketing, Tourismus, Wissenschaft). Für stellensuchende Älpler und Älplerinnen stehen damit eine Fülle von Informationen über einzelne Alpen zur Verfügung.

Konzept, Projekt, Vision

Zeitaufwand und Kosten für die 2500 – 3000 Käsealpen der Schweiz sind sehr schwer abzuschätzen. Deshalb wird das Projekt in einem ersten Teilprojekt über die 600 Käsealpen des Berner Oberlandes getestet (Dauer ca. 4 Jahre), und soll auf Grund dieser Erfahrungen in der ganzen Schweiz mit weiteren selbständigen Teilprojekten durchgeführt werden, die z.T. bereits angelaufen sind. Der Arbeitsaufwand für das Projekt Berner Oberland beträgt etwa 2 Arbeitskräftejahre, und die Gesamtkosten belaufen sich auf ca. CHF 500'000.-.

In erster Priorität sollen die Käsealpen erfasst werden, d.h. Alpbetriebe, auf denen Käse produziert und in Verkehr gebracht wird, inkl. Ziger, Schaf- und Ziegenkäse. In der Folge – und weniger ausführlich – jene Alpbetriebe, die andere Alpprodukte auf den Konsummarkt bringen (Mutterkühe, Alpschweine, Kräuter, touristische Leistungen). Ferner die Alpen, auf denen Galt-, Jung- und Schmalvieh gesömmert wird und zuguterletzt Alpbetriebe, die mit den ersten drei Kategorien nicht erfasst wurden.

Den Schafhirten und –hirtinnen mag diese hierarchische Abfolge bekannt sein. Bereits bei den Graubündner Richtlöhnen wurden sie vergessen und auch die QS-Alp verhilft ihnen nicht zu einer geplättelten Küche. Dass Schafalpen nicht in erster Priorität erfasst werden, liegt daran, dass die neue Erhebung der Alpbetriebe auf einem Marketing-Konzept basiert. Schlussendlich wird es darum gehen Alpkäse und Kulturlandschaft zu verkaufen. Doch lassen wir das Projekt Schweizer Alpbetriebe: Marketing-Inventar (SAMI) selber sprechen:

«Das Projekt SAMI soll folgenden Zielen dienen:

1. dem Bedürfnis nach Identität der Älpler, welche sie in der Folge des Paradigmawechsels in der Landwirtschaftspolitik zu verlieren drohen.

2. der Vermarktung und der Promotion von Alpprodukten durch die Personalisierung und Individualisierung der Produktionsbetriebe sowie durch die Darstellung der Nachhaltigkeit dieser Bewirtschaftungsform; es gibt die Möglichkeit, das Bild dieser Alpen schärfer zu fassen und unter die Leute, besonders Konsumenten und Vermarkter zu bringen, die Arbeit der Älpler bekannt zu machen und aufzuwerten.

3. der weiteren touristischen Erschliessung und Promotion des Alpgebietes (was in den Regionen bisher sehr unterschiedlich geschieht) durch Zusammenarbeit mit den in diesen Gebieten tätigen touristischen Einrichtungen (z.B. Alpwanderungen); es soll deshalb auch kulturelle Aspekte und die Aspekte der Jäger und Sammler (Elemente von Geologie, Klima, Flora, Fauna) enthalten, d.h. die Nachhaltigkeit betonen, die sich in der gegenseitigen Respektierung von Natur- und Kulturpflege äussert.

4. der Forschung im Alpenraum, speziell der Erforschung der Alpbetriebe und ihrer Umstände, indem es vorhandene Daten möglichst umfassend in elektronischer und aktualisierter Form zur Verfügung stellt und zum Gebrauch bereit hält.

5. der Bestandsaufnahme der schweizerischen Alpwirtschaft um die Jahrtausendwende als historisches Dokument. Die wichtigsten Betriebsdaten sollen gegenüber den früheren Erhebungen möglichst vergleichbar aktualisiert werden. Es soll aber nicht vor allem ein agronomisch-technisches Nachschlagewerk sein.»

Jeder sein eigener Kanton

«Eine Umfrage bei den 23 Landwirtschaftsdirektoren der Gebirgskantone (alle Kantone ausser BS, SH und GE) anhand einer Projektskizze hat 21 Antworten gebracht:
8 Kantone zeigen vorläufig wenig Interesse mit folgenden Vorbehalten und Begründungen:
ZG, BL, AG und TG haben keine Alpen im umschriebenen Sinn. TI hat dies für sein Gebiet realisiert, NE hat seine Daten aktualisiert und GR sowie VD sehen zu uneinheitliche Zielsetzung und ein Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Trotzdem wollen sich vier von ihnen in unterschiedlichem Ausmass im Projekt engagieren mit der Beisteuerung, Erfassung und/oder Bearbeitung von Daten, ja sogar in der Finanzierung. Zwei von ihnen möchten in unterschiedlichem Ausmass Zugang zu den Daten.
13 Kantone zeigen Interesse mit folgenden Begründungen und Erwartungen:

  • Aktualisierung der Alpkataster-Daten; möglichst gute Grundlagen sind für die Bewältigung der wachsenden und neuartigen Probleme durch die Agrarreform in Land- und Alpwirtschaft und überhaupt für die Verbesserung der Bewirtschaftung notwendig und wichtig; ein solches Inventar könnte evtl. auch für die Sömmerungsbeiträge gute Dienste leisten, wenn es entsprechend gestaltet ist.

  • Erhaltung des wichtigen Kulturgutes Alpen: das Inventar dient als Standortbestimmung der Alpwirtschaft im heutigen Umfeld (Stärken/Schwächenprofil, Bedeutung für Volkswirtschaft, Raumplanung); es soll zur Aufwertung der Älplerarbeit, zur besseren Integration der Alpen ins Leben der Talschaften beitragen, Goodwill schaffen.

  • Gutes Instrument zur Vermarktung der Alpprodukte.

  • Bedenken werden vereinzelt in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis angemeldet, oder der Einbezug von Gastronomie- und Tourismusaspekten wird in Frage gestellt; einige aktualisieren ihr Alpinventar ständig und selbständig.»
     

Was ist, was wird

Im Moment (Dienstag, 4. September 2001, 2:14) sind unter der Adresse www.alporama.ch 162 Alpen abrufbar. Über die integrierte Suchmaschine gelange ich zur Alp Morgeten und bin erstaunt, wie viele Daten dort lagern. So sollte es später mal bei allen eingetragenen Alpen aussehen, versichert mir Ernst Roth, der Projektleiter beim SAMI. Der Katalog geht über allgemeine Informationen wie Tierzahl und Weidefläche hinaus. Es werden Sennereieinrichtungen, Wandermöglichkeiten, Käsebestelladressen aufgelistet, Bilder der Alp, der Umgebung und Teile der Alpleuteschaft gezeigt, Familiengeschichten und Alpsagen erzählt.

Gegenüber den ehemaligen Katastern fehlen auf der alporama.ch Anmerkungen zur Berglandwirtschaft und den regionalen Besonderheiten. Vergeblich sucht man Übersichten landwirtschaftlicher Entwicklungen oder Vergleiche zwischen den Zeiten und Regionen. Es wäre wünschenswert hier etwas weniger Technik (saubere Datenbank) dafür etwas mehr Alpleben zu vermitteln. Ernst Roth meint im Gespräch, dass hier noch Übersichten folgen werden.

Die Datenbank kann komfortabel über eine Einteilung in die Kantone geöffnet oder durch Eingabe des Alpnamens durchsucht werden. Im Impressum kann man den Verantwortlichen direkt ein Mail schicken, Anregungen sind erwünscht.

Noch wird der Käse über den Tisch gehandelt

Natürlich werden ÄlplerInnen nach der Pension den Alpkäse über die Tastatur einkaufen können. Die Eigentümer der Schweizer Alpkäse erhalten vom SAMI die Möglichkeit sich in einem zukünftigen AlpkäsE-Commerce-Projekt einzunisten oder durch zur Verfügung gestellter Vorlagen selber einen Alpshop zu basteln. Degustationsmöglichkeiten am Bildschirm sind vorläufig nicht vorgesehen.
 


Quellen:

Texte in Anführungszeichen wurden entnommen bei: SAMI, Schweizer Alpbetriebe: Marketing Inventar. Revidiertes Detailkonzept des Projektes vom 5. Juni 2001

Zusätzliche Informationen habe ich erfragt bei: Projektleiter Ernst Roth, Inforama Berner Oberland, 3702 Hondrich