Homöopathische Behandlung von Eutererkrankungen bei Rindern

Bei dem Älplertreffen in Witzenhausen im Januar 2004 sprach Martin v. Mackensen zum Thema homöopathische Behandlungsmöglichkeiten bei Rindern. Er leitet den Kuhstall auf dem Dottenfelder Hof in der Nähe von Frankfurt. Es folgt eine Zusammenfassung des Vortrages.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Nach einer kurzen Einführung in die homöopathischen Behandlungsgrundlagen ging Martin v. Mackensen auf die Ursachen und Erscheinungsformen von Eutererkrankungen ein, um schliesslich zu den Möglichkeiten deren homöopathischer Therapie überzuleiten.

Einführung

Ansprechpartner der Homöopathika ist die Lebenskraft des Körpers, um dessen eigenes Regulationsvermögen zu stärken oder wieder herzustellen.

Dabei spielen drei Prinzipien eine Rolle:

  1. Ausgangssubstanzen aus der Natur dienen als Grundlage für das Medikament. Dies sind chemische, pflanzliche, tierische Stoffe und/oder auch Krankheitsprodukte. Mit Hilfe freiwilliger Prüfpersonen wird von den homöopathisch verdünnten Ausgangssubstanzen ein Arzneimittelbild erstellt, welches als Grundlage der späteren Behandlungen dient.

  2. „Ähnliches heilt Ähnliches” ist der Schluss, zu dem Hahnemann, der Begründer der klassischen Homöopathie, in seinen Versuchen kam. Dies beinhaltet, dass eine Substanz, die ein bestimmtes Krankheitsbild nach sich zieht, auch dafür geeignet ist, eine Krankheit mit ähnlichen Symptomen zu therapieren.

  3. Das dritte Prinzip ist die Potenzierung, bei der die Ausgangssubstanzen durch stufenweises Verdünnen und rythmisches Verschütteln aufbereitet werden. Dabei wirkt nicht in erster Linie die Ausgangssubstanz auf den kranken Organismus, sondern der von dieser Substanz ausgehende Reiz oder Impuls. Je höher die Potenz, desto höher die Verdünnung, desto mehr Energie, desto länger die Wirkung.

Potenzen

Üblicherweise werden D und C Potenzen verwendet. Die D-(dezimal)Potenzen werden in eins zu zehner- Schritten (D1, D2 usw.), die C-(centesimal) Potenzen in eins zu hundert Schritten verdünnt. Ein Tropfen der Ausgangstinktur wird also mit zehn oder hundert Tropfen alkoholischer Lösung verschüttelt, um die nächste Potenz zu erreichen.

Akute und chronische Erkrankungen

Bei der homöopathischen Behandlung muss man unterscheiden, ob es sich um eine akute oder eine chronische Erkrankung handelt.

Akute Erkrankungen mit lokalen, heftigen und eindeutigen Körperreaktionen und typischem Krankheitsverlauf werden nach der Ähnlichkeitsregel behandelt. Dabei werden die gegenwärtigen Symptome berücksichtigt und das passende Mittel dafür gesucht. Ist nach spätestens 12 Stunden keine Besserung feststellbar, muss davon ausgegangen werden, dass das falsche Mittel gewählt wurde. Bei homöopathischen Behandlungen kann es zu Erstverschlimmerungen kommen, welche im Prinzip auch auf die Wirkung des Mittels hinweisen. Bei akuten Erkrankungen wird mit niedrigen Potenzen gearbeitet.

Bei chronischen Erkrankungen ist der Körper eher als Einheit betroffen, dessen Abwehrmassnahmen nicht mehr wirksam sind. Man versucht die Gesamtheit der Symptome eines Tieres während seines Lebens zu erfassen und nach der Ähnlichkeitsregel das sogenannte Konstitutionsmittel zu finden. Dabei werden auch sonstige körperliche und seelische Merkmale mit eingeschlossen. Die Verabreichung der Mittel erfolgt in hohen, langwirksamen Potenzen und bedarf grösserer Erfahrung der behandelnden Person.

Mittelgabe

Die Verabreichung der homöopathischen Mittel kann als Lösung oder Globuli erfolgen, auch Injektionsbehandlungen können sinnvoll sein. Wichtig bei einer oralen Gabe ist, dass die Substanz tatsächlich über die Schleimhäute aufgenommen wird. Der einfachste Weg ist mit einem Stück Brot oder anderen Leckereien. Die Menge ist nicht ausschlaggebend, generell sind 5 Tropfen/Globuli genannt. Die Häufigkeit der Gaben sind folgend bei der Beschreibung der Mittel angegeben. Für die C30 Potenzen heisst es, alle zwei Stunden ist möglich, öfter nicht. Nicht immer ist eine stündliche Gabe, wie sie bei Tiefpotenzen optimal ist realisierbar.

Euterentzündungen bei Rindern

Ursachen

Verschiedene endogene und exogene (von innen, herabgesetzte Körperabwehr/von aussen, mangelhafte Bedingungen = z.B. übermässiger Keimdruck) Ursachen begünstigen die Entstehung von Mastitiden und können in der Summe zur Erkrankung führen.

Auf der Alp haben wir aktuell vor allem Möglichkeiten, auf bestimmte exogene Einflüsse einzuwirken. Dies beinhaltet die Melktechnik (einerseits technisch, Melkanlage, andererseits unsere Art, den Ablauf des Melkens zu gestalten) und den generellen Umgang mit den Tieren (Stress, Angst etc.). Aspekte wie Fütterung, Züchtung, Stall liegen weniger in unserer Einflussnahme.

Verschiedene Keime sind im Endeffekt für die Entstehung akuter Mastitiden verantwortlich. In letzter Zeit erlangt der Erreger Staphylococcus aureus zunehmend an Bedeutung, welcher durch die Schwierigkeiten bei seiner Behandlung hervorsticht. Die gilt für homöopathische als auch allopathische Verfahren.

Formen akuter Euterentzündungen

  1. Akute katarrhalische Mastitis
    Die Milch ist verändert, aber insgesamt in ihrer Beschaffenheit erhalten (Flocken, geruchlos, salzig), erhöhte Zellzahlen, Schwellung, Schmerz, Wärme, Rötung, oft zwar Fieber, aber ein eher ungestörtes Allgemeinbefinden, sprich die Kuh frisst noch. Eine homöopathische Behandlung ist bei dieser Form am ehesten erfolgsversprechend, in sofern es sich nicht um Staphylococcus aureus handelt.

  2. Coli – Mastitis
    Explosionsartiges Auftreten, hochgradig schmerzhafte und extrem geschwollene Viertel (meist nur eins), Milch ist wässriges oder rötliches Sekret, gestörtes Allgemeinbefinden (frisst nicht), hohes Fieber, Lebensgefahr

  3. Pyogenes – Mastitis
    Meist zur Abkalbung oder beim Trockenstehen, Schwellung, Schmerz, Wärme, geringere Rötung, Milchbeschaffenheit ist verändert, jauchig – faulig stinkend, gestörtes Allgemeinbefinden, Fieber
    Pyogenes Mastitis (holsteinische Euterseuche) ist recht selten und wird durch eine Weidefliege übertragen.

Prinzipiell sollten Tiere mit akuten Euterentzündungen mehrmals am Tag ausgemolken werden. Bei Coli -und Pyogenes Mastitis gehört der Tierarzt so schnell wie möglich hinzugezogen. Es ist keine Zeit zu verlieren, da akute Lebensgefahr bestehen kann und homöopathische Behandlungen wenig oder gar nicht erfolgsversprechend sind.

Bei der äusserlichen Anwendung von Mitteln mit starken ätherischen Ölen (Kampfer) kann die Wirkung homöopathischer Arzneimittel beeinträchtigt werden. Unbedenklich sind z.B. Umschläge mit Heilerde zum Kühlen.

Homöopathische und antibiotische Behandlungen schliessen sich prinzipiell nicht aus, sondern können sich ergänzen.

Chronische Euterentzündungen

Chronische Euterentzündungen sind durch latent erhöhte Zellzahlen ohne äusserliches Krankheitsbild gekennzeichnet (subklinische Mastitis). Hin und wieder kommt der Erreger mit einem Ausbruch akuter Mastitis zum Vorschein, was z.B. typisch für Staphylococcus aureus ist. Chronische Euterentzündungen werden gerade in jüngerer Zeit zu einem zunehmenden Problem. Ihre Behandlung muss komplexer ansetzen, als es uns auf der Alp möglich wäre umzusetzen, wenn diese zum Erfolg führen soll (fehlender Einfluss auf Haltung im Heimbetrieb, auf Zucht und Herde, für eine Konstitutionsbehandlung ist unsere Kenntnis der Tiere zu schlecht). Hier muss es darum gehen, den Ausbruch einer akuter Mastitis zu vermeiden (oder dann zu behandeln) und die Belastung der Milch gering sowie deren Verarbeitungsfähigkeit aufrecht zu erhalten (Zellzahlen), wobei dem Umgang mit den Tieren und der Melktechnik eine wichtige Rolle zukommt.

Martin v. Mackensen wies darauf hin, dass eine wirksame Therapie darin bestehen kann, eine akute Mastitis zum Ausbruch zu bringen und diese dann zu behandeln. Auch dafür ist die Alp allerdings nicht der geeignete Ort.

Zu den Zellzahlen als Parameter für Euterentzündung gab es eine Diskussion, da Realität auf den Alpen und Zahlen aus dem Lehrbuch stark auseinander klaffen. So gilt eine Kuh mit bis zu 100'000 Zellen pro ml Milch als eutergesund, andererseits muss unter veränderten Bedingungen eine Kuh mit 300'000 Zellen und mehr nicht zwangsläufig eine Mastitis haben. So merkte v. Mackensen auch an, dass er die Zucht auf niedrige Zellzahlen als problematisch sehe, da neben Abwehrzellen vor allem Zellen aus der Erneuerung des Eutergewebes in der Milch zu finden sind, demnach mit niedrigeren Zellzahlen auch eine schlechtere Geweberegeneration einhergeht.

Regelmässige Milchkontrollergebnisse (auch vor der Alpung) und der Schalmtest helfen, die Entwicklung der Herde im Blick zu haben und auf einzelne Tiere gesondert zu achten.

Homöopathische Arzneimittel für die Behandlung von akuten Eutererkrankungen

Hier stellte Martin v. Mackensen die häufigsten von ihm verwendeten Mittel heraus, die noch kurz in ihrem Arzneimittelbild vorgestellt werden sollen.

Aconitum

D6, D12, C30
vor allem bei nicht fortgeschrittenen Krankheitsverlauf, kennzeichnend sind Durst, hohes Fieber (vor allem abends bis 42 °C), Berührungsempfindlichkeit, Ängstlichkeit, kein Schweiss, aber warme und trockene Haut, später heisses geschwollenes Euter, Besserung tritt morgens und im Freien auf, die Tiefpotenzen sollten anfangs stündlich gegeben werden, bereits nach drei Stunden ohne Veränderung sollte über neue Mittelwahl nachgedacht werden, die C30 nicht öfter als alle zwei Stunden verabreichen

Apis

D6, D12, C30
Fieber über 40 °C, Besserung morgens und im Kühlen, Verschlechterung abends und bei Wärme, ödemartige Schwellung, gestaute Eutervene, Schmerzhaftigkeit, unruhig, keinen Durst trotz Fieber, Anwendung wie bei Aconitum

Arnica

D6, D12, C30
Mechanisch verursachte stumpfe Verletzungen, Bluterguss, blutige Milch, keine Wunden, auch als Gel zur äusseren Anwendung
Dosis siehe Aconitum

Belladonna

D6, D12, C30
Starkes Schwitzen, warmer Kopf, kalte Gliedmassen, 40–41° Fieber, geräuschempfindlich, schmerzhafte Entzündung, trockene Schleimhäute, Durst, Besserung durch Wärme, Verschlechterung im Zug, Dosis siehe Aconitum

Lachesis

D6, D12, C30
Fiebersymptome ähnlich Belladonna, Fieber tendenziell abends, betroffene Drüse kann sich blaurot verfärben, ebenfalls Milch, eher linke Viertel, kalte Ohren und Gliedmassen, Berührungsempfindlichkeit, vor Krankheitserscheinungen Versiegen der Milch, Besserung Bewegung und frische Luft, Dosis: 2–3 mal täglich

Phytolacca

D1, D4, D30, C30
Plötzliche Entzündung mit mässigem Fieber (39 °C), reizbar und unruhig, druckempfindliche Verhärtungen, Milch wie geronnen und vermindert, vor allem rechte Euterhälfte, Besserung bei trockenem Wetter, Dosis: zwei-dreimal täglich
D1 zum Trockenstellen, D4 zum „Herausschwemmen” der Entzündung

Bei fortgeschrittenen Entzündungen kann mit Pyrogenium D10 behandelt werden.

Chronisch verlaufende Mastitiden mit manchmal akuter Erscheinung: Phosphorus D8, Hepar Sulphuris D12.


Wenn es um Tierbehandlungen auf der Alp geht, ist in jedem Fall die Rücksprache mit den jeweiligen Tierhaltern erforderlich. Hier geht es auch um die grundsätzliche Bereitschaft, homöopathische Mittel einzusetzen. Eigenmächtiges Handeln ist nicht sinnvoll.

Der Vortrag und das Protokoll sind ein sehr kurzer und oberflächlicher Abriss einer komplexen Thematik und können nur einen begrenzten Einblick gewähren. Gerade die Symptomerkennung und die darauf aufbauende Arzneimittelwahl stellt sich in der Praxis weit schwieriger dar, als es sich liesst. So sind äusserliche Symptome oft nicht sichtbar, die Kuh hat vielleicht Flocken, lässt sich aber sonst nichts anmerken. Ein Erkennen von Symptomen setzt auch ein gutes Kennen der Tiere voraus. Auch die Differenzierung und Zuordnung der Symptome stellt sich in der Praxis weniger klar dar und erfordert genaues Hinschauen und Übung.

Materialien
Der Vortrag sowie das Protokoll baut auf dem Handbuch Tiergesundheit vom FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) aus der Schweiz auf. Grundlagen der homöopathischen und phytotherapeutischen Behandlung bei Schweinen und Rindern sind hier umfassend dargestellt.

FiBL, 0041(0)62 865 72 72, admin@fibl.ch, www.fibl.ch
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