Meine Gedanken zum Unfall mit Mutterkühen im Safiental

Als allererstes möchte ich mich Werners Wunsch anschliessen, dass das, was diesen Sommer da hinten passiert ist, nicht „umsonst” geschehen ist. Ich weiss nicht, ob denjenigen, die seine Schilderung lesen, wirklich bewusst wird, dass Werner sagenhaftes Glück gehabt hat, dass er uns das alles noch selbst mitteilen kann (siehe Bericht letzter Monat). Mehrere Schutzengel sind an dem Tag da rumgeschwirrt und haben dafür gesorgt, dass er gerettet werden konnte.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Ich möchte nichts dramatisieren, aber klarstellen, dass Werner jetzt tot wäre, hätte er kein Natel gehabt. Zudem war es reines Glück, dass er da, wo er lag, überhaupt Empfang hatte, was in den Bergen nicht überall der Fall ist. An der Stelle, wo er lag, waren rundum Funklöcher, wo die Handys und sogar die Funkgeräte der Rettungsgruppe keinen Empfang hatten. Ein halber Meter in die eine oder in die andere Richtung ist da oben entscheidend. Des weiteren war es Glück, dass er sein Handy in der Brusttasche hatte, an die er mit seinem vorerst noch bewegbaren Arm hinkommen konnte. (Ich hatte mir bis dahin noch nie Gedanken darüber gemacht, aus welcher Tasche ich mein Handy grübeln müsste). So konnte er noch ein paar Anrufe machen. Danach ist ihm das Handy aus der Hand gerutscht und lag an seiner Seite und er konnte es nicht mehr greifen. Also, natürlich finde ich ein Handy auf einer Mutterkuhalp ein Muss und es kann Leben retten, aber das ist keine Garantie, auf die wir uns wirklich verlassen können, selbst mit GPS nicht. Der nächste Glücksfaktor war, dass der Ort wo Werner lag, überhaupt einen Flurnamen besitzt, dass er ihn kannte und dass es noch Bauern gibt, die wussten, in welcher Richtung ungefähr gesucht werden musste. An dem Tag, zur Zeit der Suche, war der Nebel so dick, dass die Sicht ca. 5 bis max. 20 m betrug. In so einer Suppe ist es Glück, wenn du die Richtung einhalten kannst und nicht nur kreuz und quer läufst. Und es war Glück, dass die Suchgruppe diesen Rossboden relativ schnell gefunden hat. Bei dieser Sicht und auch aufgrund der Tatsache, dass Werner nicht mehr rufen konnte, – das ist zwar etwas spekulativ, aber es war damals mein Eindruck – , war es wiederum ein Glück, dass Werners Hund auf die Gruppe zukam, als sie noch etwa 30m von ihm entfernt war. Die Suchrichtung war nun klar. Ohne den Hund wäre es gut möglich gewesen, dass die Gruppe erstmal einfach an ihm vorbeigegangen wäre und er noch länger hätte da liegen müssen. Und es war so schon lange genug. Vom Zeitpunkt des Angriffes bis dann letztendlich die ärztliche Versorgung da war, vergingen ungefähr drei Stunden. In zweien davon lag Werner alleine da, schwerstverletzt im stockdicken Nebel, umgeben von unsichtbaren, brüllenden Kühen… Als die Regaärztin ihn versorgte, war seine Sauerstoffsättigung im Blut quasi null. Ausser Lebensgefahr war er dann auch erst, als er im Spital war. Um ein Haar also. Und einer von uns wäre jetzt tot. Natürlich gibt es auch in anderen Berufen Risiken und schlimme Unfälle. Aber war das wirklich ein Unfall (also ein so genannter unglücklicher Zufall, etwas nicht Voraussehbares)? Und müssen wir Hirtinnen das Risiko eingehen, dass wir nur mit Glück einen Unfall überleben? Ich beantworte diese beiden Fragen mit einem klaren Nein. Ich will meine Gesundheit nicht für die Agrarpolitik riskieren. Wie Anne in ihrem Artikel „Bitte sprechen sie mit ihren Kühen” schon ausgeführt hast, werden die Bauern durch die Direktzahlungspolitik und den „Wirtschaftlichkeitszwang” dazu gebracht, möglichst viele Tiere zu halten, möglichst wenig bis keinen Aufwand mit ihnen zu haben und auf Absatztermine hin zu produzieren, an denen sie den grösstmöglichen Preis erzielen können. In diesem existentiellen Überlebenskampf verstehe ich das Anliegen der Bauern, einige Kühe während des Sommers abkalben zu lassen. Aber muss das auf der Alp sein? Aufgrund meiner Erfahrungen bin ich dagegen.

Der daraus resultierende Aufwand für die Hirtinnen ist enorm. Auch wenn du weisst, wann ungefähr der Abkalbetermin ist, bist du doch ungefähr zwei Wochen damit beschäftig, ständig nachzusehen, wann es denn nun soweit ist. Vielleicht hast du auch noch Auflagen wie: Kühe müssen zum Abkalben auf eine bestimmte Weide, möglichst noch getrennt vom Rest ihrer Familie, oder die Kühe dürfen zum Beispiel nur eine begrenzte Zeit auf dieser sicheren Weide sein, weil sonst das Gras nicht für alle Kalberkühe reicht etc. pp., dann wird die Mutterkuhbetreuung zu einem Fulltime-Job. Du bist stundenlang damit beschäftigt, irgendwelche Tiere von a nach b zu bringen. Dass Mutterkühe schlecht zu treiben und vor allem zu trennen sind, ist ein Thema, auf das ich noch eingehen werde. Jedenfalls ist der Aufwand mit kalbenden Mutterkühen um ein Vielfaches höher als mit den anderen. Ist es ok und machbar, dass dich ca. 20 Kühe mehr beschäftigen als die 160 anderen?

Dazu kommt das Risiko, dass bei der Geburt oder danach etwas schief gehen kann. Ich fände es interessant, darüber wirklich Statistik zu führen. Aus dem, was ich von meinen Nachbaralpen und auf meiner Weide erlebt habe, ergibt sich für mich der Eindruck, dass das Abgangsprozentual auf den Alpen höher ist als auf den Heimbetrieben. Natürlich müssten in eine solche Statistik auch die Fälle, in denen Hirtinnen, bewusst oder unbewusst unter der Gefahr des Verletztwerdens, dennoch versucht haben, in eine Situation einzugreifen und damit das eine oder andere Kalb, oder die eine oder andere Kuh gerettet haben. Jedenfalls verhebt das Motto „alles der Natur überlassen” im Zusammenhang mit Domestizierung und selbst der Mutterkuhhaltung meiner Meinung nach nicht. Zu oft suchen kalbende Kühe einen „sicheren” Ort zum Kalben. Leider heisst für Kühe ein sicherer Ort meistens ein Ort, wo die andern aus der Herde sie in Ruhe lassen. Also irgendwo in einer abschüssigen Ecke, am Wasser, am Tobelrand, im Gebüsch etc. Wie viele Kälber wurden von Hirtinnen unter dem Zaun durchgeschoben, aus einem Tobel geholt oder unter einem Busch hervorgezogen, weil ihre Mütter nicht mehr an sie rankamen? Wir tun alles für unsere Herde, das ist unsere Berufsauffassung. Wenn ich aber weiss, dass solche Einsätze lebensgefährlich sind, oder wenn ich andere Tiere nicht mehr richtig betreuen kann, dann kollidiert das mit meiner Vorstellung von den Aufgaben einer Hirtin. Oder dem Verantwortungsbewusstsein gegenüber den anderen Mitbewohnerinnen dieser Welt. Wenn z. B. ein verletztes Tier bei Mutterkühen mit kleinen Kälbern steht und ich nicht in seine Nähe komme: Diagnostiziere mal eine Palusa aus 30, 40 Meter mit dem Feldstecher. Da merkst du vieles erst wenn’s so ist dass das Tier nicht mehr geht, oder nicht mehr frisst oder was auch immer. „Da musst du halt deine Einstellung ändern.”, hat mir ein Bauer gesagt, „Da muss man halt auch mal eine Kuh verenden lassen können.” Ist das so? Müssen wir Hirtinnen auch bei diesem Wirtschaftlichkeitswahn mitmachen? Müssen uns die Schmerzen einer verletzten Kuh gleichgültig sein? Muss ich am Abend in die Hütte mit dem Gedanken, da oben liegt eine mit einem offenen Bein, egal, Gämsen brechen sich ja auch mal die Beine, Steinböcke stürzen ab, ist doch alles Natur? Ich könnte mit vielen Geschichten meinen Eindruck belegen, dass sich eine Gleichgültigkeit zunehmend unter den Bauern, nicht nur unter den Mutterkuhhalterinnen, verbreitet. Ist es zum Beispiel wirklich nur der geringe Wert eines Tieres, der einen Bauern dazu veranlasst, ein Tier mit einem gebrochenen Bein noch einen Tag länger in der Alp liegen zu lassen, weil er leider jetzt grad keine Zeit hat? Die Kühe können nichts dafür, dass sie auf der Werteskala derart nach unten gerutscht sind! Egal was sie in Franken bringen, wenn wir von ihnen leben und sie nutzen wollen, tragen wir auch die Verantwortung für ihr Wohlergehen.

Ich finde die ganzen Diskussionen über ein sicheres Abkalben auf den Alpen müssig, ausser vielleicht unter ganz bestimmten Bedingungen: Die Einrichtung einer rundum abgesicherten Abkalbealp in der Nähe des Heimatdorfes. Die Alp sollte für alle denkbaren Fälle eingerichtet sein und von mindestens zwei Personen betreut werden. Alles andere ist unrealistisch. Welcher Bauer fährt eineinhalb Stunden auf die Alp, hilft der Hirtin zwei bis drei Stunden mit dem Verbringen einer Kuh auf eine Abkalbeweide und fährt dann wieder eineinhalb Stunden zurück? Und das während dem Heuen? Und was nützt selbst der Bauer, wenn die Kuh auf der Weide das Kalb nicht rauskriegt und sie bei jedem Versuch, ihr nahe zukommen, aufsteht und davonrennt? Fast endlos könnten Hirtinnen solche Geschichten erzählen… ...und auch die Bauern. Im Zusammenhang mit Werners Unfall wurden plötzlich sehr viele Geschichten erzählt. Von Unfällen, Beinahe-Unfällen, schweren Geburten, toten Kälbern etc. Natürlich nicht nur auf den Alpen. Und eines ist, denke ich mal, allen Beteiligten klar: Kühe können um die Abkalbezeit herum einfach unberechenbar sein. Da kann die netteste braune Milchkuh plötzlich ausflippen und auf den Bauern losgehen, wenn sie zum Beispiel auf der Weide gekalbt hat und er das Kalb holen will. Und natürlich besteht auch die Tendenz, dass scheue Tiere in so einer Situation instinktiver handeln, den Mensch also als Gefahr einschätzen und demnach mit Verteidigung oder Flucht reagieren.

Meine persönliche Statistik ist noch nicht so weit, dass ich wirklich einschätzen könnte, ob die potenzielle Gefährlichkeit einer Kuh auch mit der Rasse zu tun hat. Natürlich wäre es interessant, wenn es so wäre. Aber das würde für mich dann eher heissen, noch mehr auf diese Rasse einzugehen und mit ihr einen Umgang zu finden, hiesse natürlich durchaus, sie etwas mehr zu domestizieren, sodass ein Miteinander im Stall und auf der Alp möglich ist. Zudem betrifft das ja nicht nur Hirtinnen und Bäuerinnen. Auch Tierärztinnen und Besamerinnen sind ein Teil dieses Miteinanders. Das ist für mich einer der wichtigsten Aspekte in dieser ganzen Diskussion: Wie gehen wir damit um, dass wir den Tieren wieder mehr Freiraum zugestehen wollen? Und das ist nun mal die Folge von Laufställen und Mutterkuhhaltung. (Obwohl das mit dem Zugestehen natürlich auch ein Vorwand ist, es geht um weniger Arbeit mit ihnen…) Die Tiere werden nicht mehr berührt und sind den Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe nicht mehr so gewohnt wie früher. Sie sind nicht mehr auf uns angewiesen, dass sie am richtigen Platz stehen und von uns das Futter zugeschoben oder die Milch verabreicht kriegen. Kälber kriegen die Milch an Tränkeautomaten oder an ihren Müttern. Im Stall geht es ihnen hauptsächlich darum, dem Menschen, der da mit seinem Mistschorrer rumspringt, aus dem Weg zu gehen, damit er die Box ausmisten oder den Boden mit irgend einem komischen Gerät säubern kann. Im Stall ist und bleibt der Mensch ein Fremdkörper, an dem kalb vielleicht mal etwas schnuppern kann, aber die meisten interessieren sich nicht mal dafür. Sie brauchen uns nicht, meistens stressen wir sie, weil wir sie irgendwo einzwängen und dann von hinten auf sie einprügeln, um sie dazu zu bringen, in irgendeinen Pferch oder Wagen zu steigen. Kein Wunder, dass die Tiere, auch die Milchkühe aus dem Laufstall, immer scheuer werden und uns anders einschätzen. Bis jetzt wird von den Bauern mit dieser Entfremdung so umgegangen, dass halt überall noch stärkere Pferche gebaut werden, alles so eingebunkert, dass sie von der sicheren Seite hinter der Absperrung mit einem Stecken die Tiere in eine Richtung bringen. Wenn Tiere irgendwohin getrieben werden sollen, ist meistens die ganze Familie dabei. Dass diese Bedingungen auf der Alp nicht so sind, wird irgendwie vergessen. Da gibt’s kein Absperrgitter, wo du mal schnell drüberhüpfen kannst und in Sicherheit bist. Auch dieser nette Tip im Handbuch „wirf ein Taschentuch auf den Boden, zur Ablenkung” ist vielleicht gut gemeint, aber wirkungslos, wenn eine Kuh auf dich zuschiesst weil sie ihr Kalb verteidigt. Das ist eine Wucht, die sich offenbar viele nicht vorstellen können. In der Regel kommt das für dich aus heiterem Himmel.

Und es geht da ja nicht nur um die Gefahren rund ums Abkalben. Es kann auch heikel werden, wenn du die Tiere zum Beispiel nicht mehr treiben kannst, weil sie dich als Eindringling empfinden und sich mit dir messen wollen. Gefährliche Situationen entstehen immer wieder wenn die Kühe keinen Bezug und keinen Respekt mehr gegenüber dem Menschen haben. Wie schon erwähnt, fände ich eine etwas fundiertere Überprüfung interessant, ob es z.B. im Verhalten während des Abkalbens bei den verschiedenen Rassen Unterschiede gibt. Ich sträube mich jedoch (noch?) dagegen, Kühe in Kategorien aggressiv oder bösartig einzuteilen. Die Verteidigung ihres Kalbes ist ein Urinstinkt. Wenn die Gefahr, in diesem Fall also der Mensch, nicht flieht, oder nicht mehr fliehen kann, dann ist es natürlich, dass sie die Gefahr solange bekämpft, bis sie keine mehr ist. In Werners Fall, bis er keinen Wank mehr gemacht und vermutlich nicht mal mehr schreien konnte. Ich glaube nicht, dass die Kuh denkt „Dich lasse ich jetzt leiden”, sondern eher „Du darfst mir nicht zu nahe kommen”. Dass sie in uns eine Gefahr sieht, liegt meiner Meinung nach hauptsächlich an der Haltungsform und am Umgang. Dass die Roten einen schlechten Ruf haben, kann auch damit zusammenhängen, dass diese Rasse schon in der Anfangszeit der Mutterkuhhaltung im Graubünden sehr oft eingekreuzt und gezüchtet wurde. Die heutigen Kühe sind meist schon aus der zweiten Generation. Ein Kalb, das nie angefasst wurde, wird vermutlich nie ein wirkliches Vertrauen zum Menschen aufbauen können.

Zum Thema Mutterkühe und Alpen gehört auch die Auseinandersetzung rund um den Hund. Von den Bauern ist immer wieder zu hören „Mutterkühe und Hund, das geht halt nicht.”. Dass das so nicht stimmt, wissen wir Hirtinnen natürlich besser. Jedoch ist es unbestritten, dass eine Mutterkuhherde spezielle Anforderungen an einen Hund stellt. Ein Bäri, der hinten etwas bellt, reicht da nicht. Wir müssen unsere Hunde aber einsetzen können. Wer will schon 150 Tiere alleine treiben? Oder wer kann das? Vielleicht wäre es gut, diese Problematik in den Hirtinnenkurs und den Hirtinnenhundekurs einzubauen, falls das nicht schon der Fall ist. Wir müssen mit den Tieren arbeiten können. Selbst wenn ein Pferch oder Stall auf einer Weide vorhanden ist, müssen wir die Tiere dahin bringen können. Sie müssen es gewohnt sein, dass sie angefasst werden, dass sie auch mal angebunden werden etc. Für mich ist es keine Lösung, mit einem Blasrohr auf der Weide rumzulaufen und die Tiere zu betäuben, um sie behandeln zu können. Genauso wenig schätze ich es, sie nach stundenlangem Rumtreiben und Unruheverbreitung in der ganzen Herde, in einen Pferch zu zwängen, wo sie eingesperrt und getrennt von ihren Freundinnen in Panik geraten. So ist die Arbeit auf der Alp für Mensch und Tier sehr unbefriedigend. Vieles wäre meiner Meinung nach zu vermeiden, wenn die Tierbesitzerinnen sich die Zeit nehmen würden, einen Bezug zu ihren Tieren herzustellen, was schlicht heisst, sie z.B. ab und zu mal zu striegeln. Sie ab und zu mal an eine Halfter zu nehmen, ihnen beim Treiben etwas mehr Zeit zu lassen. Und das von klein auf. Die Kontaktaufnahme mit den Tieren ist am besten, solange sie klein sind, Prägungsphase etc… Die Kälber, die auf der Alp geboren werden wieder an die Menschen zu gewöhnen ist sehr schwierig. Sie sind im Herbst so blitzscheu, dass es beim Einladen oft zu Situationen kommt, die mehr mit einem Rodeo zu tun haben als mit Viehtransport.

Ich sehe diesen Unterschied in meinen Herden. Diejenigen, die gewohnt sind, dass ein netter Mensch sie ab und zu striegelt, kennen den Genuss, sich von der Hirtin mal hinter den Ohren oder auf der Schwanzkuppe kratzen zu lassen. Bei solchen Tieren ist es zum Beispiel auch möglich, mal eine Euterbehandlung auf der Weide durchzuführen, oder sie einfach irgendwohin zu treiben und anzubinden. Nicht immer natürlich. Wenn eine Kuh nicht will, ist das alles sowieso nochmal was ganz anderes. Jedoch ist es für Mensch und Tier eindeutig stressfreier und ungefährlicher, wenn das Tier eine grundsätzlich angenehme Behandlung durch den Menschen gewohnt ist. Ich bin froh, dass dieses Thema auch im Plantahof am Rindviehsymposium in die Diskussionen aufgenommen wird. Im Zusammenhang mit dem Aspekt „Mutterkühe und Tourismus” möchte ich ein eigenes Erlebnis beisteuern: Ich traf eine Familie am Zaun meiner Weide. Gleich neben dem Schild, welches informiert, dass Kühe ihre Kälber schützen und dass Distanz zu halten sei. Die kleinen Kinder waren unter dem Zaun durchgeschlüpft und versuchten, die Kühe zu streicheln. Auf die Frage, wieso sie das Schild nicht beachtet haben, kam ein lapidares „Ja aber die Kühe sehen doch so nett aus.”... Natürlich könnte eine grösser angelegte Kampagne die Touristen aufklären, dass sie sich von Mutterkühen, kleinen Kälbern, freilaufenden Stieren etc. möglichst fernhalten sollten. Da aber die wenigsten überhaupt einschätzen können, wem sie nun da auf ihrer Wanderung begegnen, befürchte ich eher die Reaktion, dass dann weniger Leute einfach so durch die Berge stiefeln. Selbst viele Bauern hatten letzten Herbst ein flaues Gefühl: ”Man muss ja heutzutage eine Waffe mitnehmen, wenn man z’Bärg will.”, „Kann man überhaupt noch allein z’Bärg?”. Der meist sanftere Tourismus des Sommers ist überall sehr erwünscht und wenn wir es uns eingestehen, mittlerweile vermutlich leider auch eine Legitimation für die Alpsubventionen. Auch die Bauern können es sich nicht leisten, die Touristinnen zu vergraulen. Feste Zäune und vor allem Schilder können keine Sicherheit garantieren und wir können uns auch nicht mit so einer Symptombekämpfung aus der Verantwortung ziehen. Die Sicherheit erhöhen können wir nur, wenn keine Kühe auf der Alp kalbern, wenn kein Stier mitläuft und wenn die Tiere an Mensch und Hund gewöhnt sind.


Zum Thema Mutterkühe bin ich zusammenfassend der Meinung, dass

  • wir Hirtinnen fordern sollten, dass ein Verbot der Abkalbungen auf den Alpen in die Alpvorschriften übernommen wird.

  • über Unfälle mit Kühen eine Meldepflicht bestehen sollte. Dadurch könnten wir lernen, in welchen Situationen solche Unfälle passieren, ob es wirklich einen Zusammenhang mit der Rasse hat etc.

  • die Bauern dazu gebracht werden müssen, ihren Umgang mit den Tieren zu verbessern.

  • die Hirtinnen noch besser über die Gefahren aufgeklärt werden müssen.