Mit einem Buch Alpkäse verkaufen

Im Geiste der Berner Buchserie „Wege zum Alpkäse” kommt ein weiterer Alpkäseverkäufer aus dem Prättigau auf uns zu, und doch ganz anders. Ein Fotoband zum lesen, ein Lesebuch zum schauen. Ein Buch, das beim Öffnen nach Druckerfarbe riecht, später nach Berg, Himmel, Wiese, Kuh, Schweiss und Käse. Wer es anknabbert, erhält ein schönes Stück Alpsommer.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Zwängt sich ein Tourist durch die Klus hinter Landquartum ins Prättigau zu gelangen, tut sich ihm ein Tal auf, das sich weitet, je mehr er Richtung Klosters fährt, genau wie sich sein Herz ausdehnt, seine Lunge sich mit Bergluft füllt. Halt, noch nicht da unten auf dem Talboden, wo alte ehrwürdige Walserhäuser und wellblechumschlungene Industriebauten neben Silotürmen um die letzten Meter raufen. Nein, hinauf, nach oben, die Kämme erreichen, ob mit angeschnallten Wanderschuhen oder auf dem Sessel geliftet, ist egal.

Wie viele andere Täler, ist auch das Prättigau ein schönes Tal,nur wer weiss das schon und wie bekommt er das zu wissen. Der Bauernverein Prättigau hat sich, dem Prättigau und dem Tourismusverein selbstbewusst ein Buch geschenkt, das die Botschaft in die Welt tragen soll. Zehn Jahre Prättigauer Alpkäsedegustation sind Erfahrung genug, um zu wissen, dass sich Alpkäse nicht nur wegen seinem Geschmack oder weil er gesund sein soll verkaufen lässt. Der Kunde, vor allem wenn er von aussertalwärts kommt, kauft den Käse, weil er nach Heidi schmeckt, oder ein wenig urtümlich zumindest, nach altem Brauchtum oder sonstwie unklar mythologisch.

Mit Heidi und Mythologie hat das Buch aber wenig zu tun.Die AutorInnen wie auch der Fotograf bemühen sich um eine Gegenwartsaufnahme der Alpwirtschaft. Immerhin fünf Texte stammen aus Hirtenstöcken und Käsekessis. Überall, wo einem beim Bilderschauen die knorrige Hand des Alpöhis ums Herz greift, weist der Text oder die Bildlegende darauf hin, dass die abgebildete Einrichtung gerade durch eine neue Sennerei ersetzt oder sogar aufgelöst wird. Auch die Prättigauer Bauern zügeln Mutterkühe ins Tal oder bereiten sich auf den freien Milchmarkt vor. Dringt man weiter in den Text vor, liest man von Streitereien im Team, einsamen Hirten, Wetterumstürzen, neuen wilden Tieren, einer Prüfung der Alpwirtschaft auf Wirtschaftlichkeit und sich talwärts bewegenden Fleischpreisen. Doch dies wird den Heidi-Liebhaber nicht von seiner Sicht der Dinge abbringen.

Was das Buch zu einer Ausnahme im alpwirtschaftlichen Büchermarkt macht, ist die gelungene Zusammenführung von Älplern und Sympathisanten. Während die häufigste Alpliteratur eine Umgarnung potentieller Touristen darstellt, oder seltener ein Reigen individueller Älplererlebnisse erzählt, kommen hier AutorInnen zu Wort, deren ehrliche Alpverbundenheit spürbar wird. Martin Bienerths Geschichtsschreibung des weissen Goldes oder Barbara Sulzers Annäherung an den Älpler sind Liebeserklärungen an ein Leben und Arbeiten in einer letztlich vernünftig gebliebenen Welt. Das bewegt Alpleute, Bauern und diesen zugewandte gleichermassen.


 
Aus dem Inhalt

Alp für einen Fotografen
Ein Alpsommer ist Erinnerung. Und mehr.
Peter Donatsch

Die Landschaft prägt den Menschen, der Mensch prägt die Landschaft
Prättigauer Alpen im Wandel der Zeit
Werner Catrina

Kapriolen und Normalitäten
Unterm Wetter
Giorgio Hösli

Älpleralltag zwischen Illusion und Wirklichkeit
Älpler ist nicht gleich Älpler
Barbara Sulzer

Prättigauer Alpensagen
Vom Mutterboden, auf dem die Sagen grünen
Christian Hansemann

Der Maul- und Klauenseuchenzug im Sommer 1913
Episoden aus der Prättigauer Alp-Geschichte
Edy Walser

Mutterkühe, Schafe und Ziegen
Andere Alpen, andere Tiere - andere Menschen?
Barbara Wülser Studach

Milch, Käse, Butter und noch mehr
Das weisse Gold von den nahen Höhen
Martin Bienerth

Marketing und Alpwirtschaft
Neues Denken für althergebrachte Produkte
Claudio Müller

Alpen-Realität zwischen Nostalgie und den Kräften des Marktes
Alpen - wie lange noch?
Peter Rieder

Von Stürfis bis Obersilvretta, Frömdvereina bis Zanutsch
Die Prättigauer Alpen
Zusammengestellt von Claudio Müller

Kleines Prättigauer Alpen-Wörterbuch
Aachen, Bränta, Chääsgätschäder
Zusammengetragen von Daniela Lehmann


Prättigauer Alpen
Zwischen Stürvis und Obersilvretta, Frömdvereina und Zanutsch
Herausgegeben vom Bauernverein Prättigau.
Fotos von Peter Donatsch, Texte von Martin Bienerth, Werner Catrina, Peter Donatsch, Christian Hansemann, Giorgio Hösli, Claudio Müller, Peter Rieder, Barbara Sulzer, Edy Walser, Barbara Wülser Studach.
144 Seiten, Grossformat, CHF 49.–
ISBN 3-033-00175-0