Us mit zigärä

Vor dreissig Jahren noch 50, im letzten Jahr noch 15 und heuer noch zwischen 7 und 9 Sennten:
Die traditionelle Alpzigerproduktion im Glarnerland wandert ins Museum. Schuld daran sind die Hygieneanforderungen, die Qualitätsschwankung und die Holländer.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                
Das Zigern ist eine heisse Angelegenheit.

 

Rohziger nimmt nur eine Firma und nur diese Firma macht daraus harte Zigerstöggli und schmelzenden Schabziger Butter: Die GESKA in Glarus. Sie hat seit längerem Probleme mit dem Rohziger von der Alp. Laut Geschäftsleiter Johannes Trümpi kann der Alprohziger nur zu Zigerpulver verarbeitet werden, die Qualität reicht nicht für die bekannten Stöggli (siehe: schabziger.ch). Zigerpulver wird traditionsgemäss den Holländern verkauft, in der Schweiz findet das Pulver keine Abnehmer. Die Holländer wollen aber nicht mehr, wenigstens nicht mehr soviel wie bis anhin. Daher sinkt der Absatz und daher will die Geska weniger Alprohziger abnehmen. Aber das ist nicht der einzige Grund.

An die Wand gestellt

Man weiss ja wie das ist: Kontrollen, Normen, Zertifizierungen, Hygienerichtlinien – das macht einem nicht freier. Damit der Ziger weiterhin exportiert werden kann, hat die GESKA einen aufwändigen Zertifizierungsprozess durchlaufen und bestanden. Die Export-Hygienestandards müssen auch von den Zulieferbetrieben eingehalten werden, für die Alpen eine Herausforderung, die nicht ohne bauliche Massnahmen bewältigt werden kann. Produzieren die Alpbetriebe nicht gemäss der geforderten Hygiene, könnte der GESKA die Exportlizenz entzogen werden. Trümpi sieht das Problem nicht nur in den heutigen Einrichtungen, sondern auch in der Professionalität der Zigersennen. Ein heikles Qualitätsprodukt herzustellen, wenn man neun Monate Bauer ist und nur drei Monate Senn, sei ein schwieriges Unterfangen.

Die Alpen, die dieses Jahr noch Ziger herstellen, sind in zwei Gebieten ansässig, in Elm und im Rautigebiet oberhalb Näfels. Für diese zwei Regionen wird je ein Projekt geprüft, die Milch der Sennten in einer gemeinsamen, neu zu erstellenden Schausennerei zu verzigern. Bis klar ist, ob diese (teuren) Projekte realisiert werden, können die Älpler ihren Ziger noch der GESKA abliefern. Sicher ist jedoch, dass das Kulturgut Alprohziger so sein Ende findet. Die Zigersennen werden zu Milchlieferanten, zwar nicht ins Tal, aber zur Zigerei auf dem Berg.

Eine alte Idee könnte in einer solchen neuen Sennerei wieder aufgenommen werden, nämlich den Alprohziger als Alpziger separat zu verkaufen und nicht dem Talziger beizumischen. Aber soweit ist man noch nicht.

Ein Bild fürs Museum: Fritz Dürst schöpft den Ziger aus dem Kessi.

Stinkt er jetzt oder stinkt er nicht

Schabziger ist – vorsichtig ausgedrückt – einer der seltsamsten Schweizer Käse. Er macht als einziger Käse eine Buttersäuregärung durch, mittels Bakterien, die in jeder Käserei aufs Schärfste vertrieben werden. Sein Geruch ist – vorsichtig ausgedrückt – sehr eigenartig und auf einem Esstisch äusserst dominant. Also nichts für Massenpublikum, eher für den Liebhaber geschmacklicher Absonderheiten und ausgesuchter Grenzüberschreitungen. Trümpi verneint, dass der Käse stinke, aber genau dieses Urteil geben überdurchschnittlich viele unserer Tischgäste ab. Wie dem auch sei: Wer nicht dreimal probiert hat, kann nicht urteilen.

Zigern auf Alp Bärenboden

Wenn eine Kultur verschwindet oder abgeschafft wird, kommt schnell einer und möchte sie mit der Kamera für die Ewigkeit festhalten. So auch die zalp. Wir besuchten den Zigersennen Fritz Dürst auf der Alp Meeren/Bärenboden ob Obstalden. Der Senntenbauer Daniel Dürst darf dieses Jahr noch Ziger mit einer Ausnahmebewilligung abliefern, weil er keine Zufahrtstrasse zur Alp hat und somit die Milch nicht, wie die meisten ehemaligen Zigersennen, abliefern kann.

Vor dem Zigern wird die Milch durch die Fuge gejagt, gezigert wird mit Magermilch. Von den knapp 50 Kühen, ergibt das anfangs Juli 30 Kilo Butter pro Tag. Zweimal wöchentlich wird an Emmi abgeliefert, zu 6 Franken 50 das Kilo. Dürst verzigert nur die Morgenmilch, die Abendmilch kommt zentrifugiert als Futter zu den Schweinen. Hier oben siedet die Milch bei 91 Grad Celsius, bei 93 Grad schäumt sie über das Kessi. Mit der Scheidkelle (Plastik, klein) wird der Etscher (angesäuerte Schotte) langsam in die heisse Milch eingelassen, je nach Säuregrad bis zu 60 Liter auf die 300 Liter «blaabe» Milch. Die Milch darf nur langsam brechen, nicht wie beim Sirtenziger, wo man das Saure schnell in die Sirte kippt. Zu schnell ausgeschiedener Ziger ist wilder Ziger und unerwünscht. Beinahe eine halbe Stunde dauert das Einrühren, dann leuchtet die Schotte goldgrün aus dem Kessi. Der Ziger hockt am Kessiboden, wird einmal aufgerührt und wieder sitzen gelassen.

Damit der Ziger herausgenommen werden kann, wird die Schotte abgeschöpft. Die heisse Schotte ist erstens Nahrung um den Etscher weiter zu züchten und zweitens Abwaschmittel für Butterfass und anderes Milchgeschirr. Dann wird der Ziger – ca. 40 Kilo – mit der Zigerkelle (Holz, gross) aus dem Kessi in hölzerne Gebsen geschöpft, wo er abtropfen kann.

Die strengste Arbeit beginnt erst: Das Kessi vom angehockten Ziger wieder zu kupfrigem Glanz zu bringen. Dazu brauchts Kupferspachtel, Scotch-Schwamm, Milchgeschirr-Bürste, Zinipulver, Muskeln und Ausdauer. Der Ziger selber ruht bis gegen den Abend hin zum trocknen in der Sennerei. Danach wird er in hölzerne Fässer gekippt und im Oktober per Helikopter abgeholt. Für Käse-ÄlplerInnen ungewohnt: Kein Schmieren, kein Kehren, keine endlosen Stunden im Käsekeller.

Alprohziger ist oft zu nass, um ihn in der GESKA sofort in die Reibe zu kippen. Mit Etscher aus dem Labor und fachlicher Hilfe, hat man in den letzten Jahren versucht den Alpziger trockner zu bringen. Gelungen ist das nicht ganz.

Zigerproduktion der GESKA im 2006

Im letzten Jahr kamen 27,4 Tonnen Rohziger von der Alp, im Tal wurden 280 Tonnen hergestellt. Beigemischt wurde 1 Tonne Schabzigerklee. Das Rohgut wurde zu 100 Tonnen Zigerstöggli, 7 Tonnen geriebenen Ziger, 72 Tonnen Zigerteig, 54 Tonnen Zigerpulver und 100 Tonnen Schabziger-Butter verarbeitet.

Zirka 70 % vom Verkaufsprodukt geht in den Schweizer Handel, 30 % in den Export. Davon konsumieren 48 % die Holländer und 49 % die Deutschen, weniges geht in die USA.

Die Magermilch (blaabe Milch) wird erhitzt und mit der Zigerkelle gerührt.
Hier oben (1850 M.ü.M.) siedet die Milch bei 91 Grad Celsius, bei 93 Grad kocht die Milch über.
Allmählich kommt die Milch zum Kochen.
Fritz Dürst schöpft den Schaum mit der Scheidkelle ab.
Vorsichtig wird der Etscher (angesäuerte Schotte) der Milch beigefügt.
Zu schnelles Einrühren des Etschers erzeugt "wilden Ziger", aufgeflockten Ziger. Dies will man vermeiden.
Die gelbe Schotte zeigt an, dass die Milch gebrochen ist, in Ziger und Schotte.
Der Ziger hockt am Boden des Kessis, er wird nochmals kurz aufgerührt, damit seine Konsistenz gleichmässiger wird.
Fritz Dürst schöpft mit der Zigerkelle den Ziger aus dem Kessi.
Ein Bild fürs Museum. Wie lange auf Alpen noch gezigert wird, ist ungewiss. Daniel Dürst hat eine Ausnahmebewilligung für ein Jahr.
Zirka 40 Kilo Ziger Ausbeute.
In diesen Fässern macht der Ziger eine Buttersäuregärung durch. Er wird erst im Oktober per Helikopter abgeholt.