Von der Alp auf den Teller: Tagung Alpschwein 2005

Es kann vorkommen, dass auf einer Alp gleich viele Schweine wie Kühe gesömmert werden. Trotzdem nennt sie niemand „Schweinealp“. Das Schwein steht auf der Alp im Schatten der Milchtiere. Um diesen Schatten etwas auszuleuchten, hat die IG-Alp am 19. März in Sargans die Tagung Alpschwein organisiert.


                        
                            
                        
                            
                                
                            
                        
    


                        
                    

                    
                

Die IG-Alp, die gern über Alpthemen spricht, über die andere schweigen – von den Löhnen bis zu den Beziehungsproblemen – hat offenbar auch hier einen Nerv getroffen. Mehr als vierzig Personen besuchten die Tagung, dem Aussehen nach ebenso viele „alte“ wie „neue“ Alpleute.

Nach der Begrüssung erzählte Barbara Früh vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) über die Ethologie und Haltung des Schweins. Das Hausschwein lebt wie ein Wildschwein, wenn es darf. Die tiergerechteste Haltung ist deshalb in stabilen Familiengruppen mit genug Platz, das hilft Rangordnungskämpfe vermeiden. Das Schwein als neugieriges, aktives Tier braucht Wühl- und Kaumaterial, dazu Möglichkeiten, sich abzukühlen und zu kratzen. Auf der Alp ebenfalls wichtig sind Sonnenschutz, genug Wasser und Raufutter neben der Schotte. Im Durchschnitt ist die Schweinehaltung auf Alpen sicher tierfreundlicher als im Tal, auch wenn nicht alle Alpschweine wühlen können.

Erfolgsgeschichte Label Alpschwein

Konrad Höhener vom Rheinhof Salez berichtete anschliessend von den Erfahrungen mit dem Label Alpschwein. 1991 begann Coop Graubünden-Sarganserland Alpschweine zu vermarkten, 1996 stieg auch Coop Zürich ein. Das Frischfleisch kam während einer Woche im Herbst in die Läden. Die Bauern und Bäuerinnen erhielten 1.20 Franken Aufpreis pro Kilo. Das Label war ein Erfolg: In den Alpschweinewochen verkaufte Coop drei- bis viermal mehr Schweinefleisch als üblich. Das Ende kam auch nicht aus Verkaufsgründen, sondern weil die verschiedenen Coop-Genossenschaften 1998 zu Coop Ostschweiz fusionierten. Der neue Gross-Coop wollte den Aufwand für die separate Verarbeitung und Verpackung des Alpschweinefleisches nicht tragen. Die Bauern und Bäuerinnen, die inzwischen in die Alpschweinehaltung investiert hatten, waren gezwungen, das Fleisch wieder über die normalen Vertriebskanäle – ohne Aufpreis – zu verkaufen.

Schotte kompostieren?

Heute geht es dem Alpschwein schlecht. Wer rechnet, hält keine Alpschweine mehr, weil sie mehr kosten als einbringen, zumindest für Betriebe ohne Bio- oder Naturaplan-Label. Aber was mit der Schotte machen, wenn keine Schweine mehr auf der Alp sind? Einfach wegleeren geht nicht, weil die Schotte mit ihrem hohen Säuregehalt das Grundwasser verschmutzt. Otto Denoth, landwirtschaftlicher Berater im Bezirk Albula, informierte über zwei weitere Möglichkeiten der Schotteverwertung: Sie kann kompostiert oder als Dünger verwendet werden. Auf verschiedenen Alpen laufen bereits Kompostier- und Düngerversuche, bei denen auch Schotte und Gülle kombiniert werden. Die Anwesenden reagierten sehr skeptisch auf diese Vorschläge. Widerwillen, so ein wertvolles Produkt wie Schotte einfach wegzuschmeissen, war zu spüren. Es gab auch Bedenken wegen des hohen Säuregehalts für den Boden, und ein Älpler erzählte, der Gestank des Gülle-Schotte-Gemischs sei unerträglich gewesen.

Bild by Martin Bienerth

 
Der Doktor kommt

Nach dem Mittagessen (Bioschwein) referierten der Tierarzt Riccardo dalla Costa und die Tierärztin Ilonka Siegrist über all die bösartigen Krankheiten, die das Alpschwein bedrohen – von HIS über die Ödemkrankheit bis zum Panaritium. Für Genaueres fragt ihr besser eure Tierärztin oder lest "Neues Handbuch Alp" (erscheint im Juli). Nur etwas ganz Wichtiges für Alpschwein-Neulinge: Hellhäutige Schweinerassen sind sehr anfällig für Sonnenbrand. Die beste Vorbeugung ist genug Schatten. Suhlmöglichkeiten und Duschen (Gartenschlauch!) sind ebenfalls gut. Passiert es trotzdem einmal, hilft essigsaure Tonerde.

Doch noch ein Label?

Vielleicht gibt es doch eine Label-Zukunft für das Alpschwein. Die Fleischhandelsfirma Linus Silvestri AG plant, Alpschweine zu vermarkten. Jakob Spring von Linus Silvestri berichtete davon. Hauptthema seines Referats war aber die Schlachtkörperqualität von Alpschweinen. Wie ein Schwein bei der Schlachtung beschaffen sein soll – vom Gewicht über den Magerfleischanteil und die Rückenspeckdichte bis zum Intramuskulärfett -, ist heute genau festgelegt. Laut Jakob Spring schneiden Alpschweine bei der Beurteilung meistens hervorragend ab.

Tot, zerlegt und verarbeitet, muss das Alpschwein schliesslich KäuferInnen finden. Jürg Sommer von der Metzgereienkette Kauffmann AG erzählte zum Abschluss der Tagung von der Vermarktung des Alpschweinefleisches. Fachgeschäfte wie jene der Kauffmann AG müssen sich gegenüber den Grossverteilern mit Spezialitäten abgrenzen, und das Alpschwein ist eine solche Spezialität: etwas Seltenes, Natürliches, das es nicht das ganze Jahr gibt. Jürg Sommer ist überzeugt vom Produkt Alpschwein, auch wenn es einige Vermarktungsprobleme gibt: Die Saison liegt nahe bei der Wildsaison, die teuren Fleischstücke sind viel begehrter als die billigen, und wie hoch der Fettanteil sein soll, darüber sind sich die KonsumentInnen uneinig.

Einig waren sich hingegen die BesucherInnen der Tagung: Das Alpschwein darf nicht verschwinden. Ohne Schwein bleibt einfach eine Lücke im Kreislauf der Kuh- oder Ziegenalp. Und ohne den klugen Schweineblick eine Lücke in der ÄlplerInnenseele.


Die IG-Alp ist eine unabhängige Interessenvertretung der Alpleute. Wer mehr wissen will, wer mitmachen will, wer den Infoverteiler will, wer spenden will schaut hier weiter: www.ig-alp.org